9. Etappe Melide – Pedrouzo

Da für den ganzen Tag mehr oder weniger Regen angesagt war, es aber in den Morgenstunden noch halbwegs trocken sein sollte, wollte Regine am Liebsten schon um 6 Uhr los laufen. Alle anderen bevorzugten jedoch eher 6:30 Uhr. Und so machte Montse am Vorabend eine klare Ansage, die ins Deutsche übersetzt ungefähr Folgendes zum Ausdruck brachte: „6:30 Uhr abmarschbereit – jeder mit seinem Rucksack auf dem Rücken… und wer vorher noch frühstücken oder einen Kaffee trinken möchte, muss eher aufstehen. Wer 6:30 Uhr nicht fertig ist, bleibt zurück!!!!“

6:10 Uhr standen Ximo, Regine und ich fix und fertig im Flur der Herberge. Da alle anderen gerade erst dabei waren ihre Augen zu öffnen und Ximo und ich eher ein kontinuierliches Lauftempo mit dafür kürzeren Pausen bevorzugten während die anderen zwischendurch fast schon ein Nordicwalking-Tempo an den Tag legten, beschlossen wir schon einmal vor zu laufen. Sicherlich würden uns die anderen bald einholen.

Es war noch ziemlich dunkel draussen, als ich in den Strassen von Mélide meine 2 Bananen und 2 Pfirsiche zum Frühstück verschlang. Dafür zwitscherten die Vögel, welche die langsam aufgehende Sonne begrüßten, um so lauter.

Ich startete mit meinen Laufschuhen! Meine Wanderstiefel hatte ich jeweils an den Seiten meines Rucksacks fest verschnürt.
Aber die Freude über das neue Laufgefühl sollte nicht lange anhalten. Und mit dem nach rund 5 km leicht einsetzenden Regen, wechselte ich notgedrungen in einem auf dem Weg liegenden Cafe auch mein Schuhwerk. Zusätzlich stülpten Ximo und ich unsere Wanderponchos über die Rucksäcke.

Auch die vorletzte Etappe des Caminos führte uns durch eine hügelige und satt grüne Landschaft. Durch unser gleichbleibendes aber strammes Lauftempo -welches uns von Ximo’s Handy immer wieder durch laute Ansagen des absolvierten Kilometerstandes bestätigt wurde- kamen wir zügig voran.

Und so kehrten wir pünktlich nach rund 10 km in eine Bar zum Frühstücken ein. Zwei Cafe con leche, un zumo de naranja und ein Twix waren unsere erste Zwischenmahlzeit.
Und als wir 20 min später wieder ins Freie traten, stiessen wir auch prompt mit unseren „Rennt den Camino Compañeros“ zusammen.

Ein Stück rannten wir wieder gemeinsam, bevor Oscar, Regine, Almudena, Noe und die hinterherhächelnde Montse in Arzùa ihre erste Pause einlegten.

Ximo und ich liefen weiter und kehrten pünktlich zum einsetzenden Regen nach 20 km in eine Bar ein. Hier teilten wir uns zwei regional belegte Bocadillos, tranken einen Café, unterhielten uns nett mit zwei älteren Damen aus Deutschland die vom Camino del norte auf den Camino frances stiessen und…. lüften unsere Botten. Als der Regen wieder nachliess, brachen wir zu unserem letzten Teilstück für heute auf.

Dieser führte uns durch prächtige Eukalyptuswälder.

Nach 33 km kamen wir gegen 14 Uhr in unser Miniherberge – der Schlafsaal hatte gerade einmal 8 Doppelstockbetten und Duschen gab es ganze 4 – an. Keine 10 min später kehrten auch die anderen ein, sodass die Gruppe mit den 7 Zwergen wieder vollständig war.

Nach einer Dusche und der üblichen Wundversorgung sämtlicher Blasen, Schwellungen und sonstigen Wunden, stillten wir unseren ersten kleinen Hunger mit Tortilla und Brot in der benachbarten Bar.

Gegen 16 Uhr kam eine völlig aufgelöste und verweinte Amerikanerin in unserer Herberge an, die ich bereits schon auf dem Weg nach Ponferrada getroffen hatte. Es stellte sich heraus, dass sie aufgrund ihres schnellen Tempos (sie brauchte für den ganzen Camino gerade mal 23/25 Tage) und den wunden Knöcheln für 4 km ein Taxi nehmen musste und nun ein schlechtes Gewissen hatte, nicht den ganzen Weg gelaufen zu sein. Ein paar aufmunternde Worte von Regine, die ihr versprach, in Santiago de Compostela eine Extrarunde mit ihr zu drehen und unserem Versprechen, sie am nächsten Morgen in unserer Gruppe pünktlich bis zur 12 Uhr Messe zum Ziel zu „treiben“, munterte sie etwas auf.

Bevor wir gegen 18 Uhr zur Messe aufbrachen, haben Montse und ich uns eine Fussmassage gegönnt. Schade, dass wir die in fast jeder Pilgerherberge angebotene Maschine nicht schon früher genutzt haben.

Die Pilgermesse, der nur ein Teil unserer Gruppe beiwohnte, war anstrengend. Das ständige Hinstellen und wieder Hinsetzen begleitet mit den Worten…. “ sochsuah sjsjisju konasua Spiritu Santi“ wollte meinen müden Füßen gar nicht gefallen. Immerhin wurde am Ende für alle Pilgerer ein letztes Gebet gesprochen und der Herr darum gebeten, ihnen auf ihrer letzten Etappe Gesundheit und Kraft zu geben.

Im Supermarkt am Ende des Ortes besorgten wir uns im Anschluss noch ein 5 Uhr Frühstück – bestehend aus Bananen, Trinkjoghurt und Tiramisukuchen – wobei wir die Bananen zunächst im Supermarkt liessen und erst bei Ankunft in der Herberge feststellten, dass uns diese der Einpacker an der Kasse nicht in die Tüte getan hatte. Und so joggten wir erneut zum Supermarkt um die fehlende Frucht einzusammeln und um dann auf dem Rückweg von einem kräftigen Regenschauer eingeholt zu werden ;-). Immerhin gab es einen großartigen Regenbogen.

Gegen 20 Uhr sassen wir noch einmal zusammen um uns bei einem riesen Teller Spagetti und Salat noch Energie für den letzten bevorstehenden Tag einzuflössen.

Als wir um 21:30 Uhr dann unsere Sachen für den nächsten Tag bereit legten und ich mein Rucksackgewicht für die letzte Etappe noch einmal optimieren wollte, entdeckte ich doch tatsächlich in einer Bodenfalte noch eine 300 gr schwere Salami, die ich für den Notfall in Leon besorgt hatte.
Eine Pilgersalami – wie wir sie dann alle mit Tränen vor Lachen in den Augen – tauften.

 

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