Nach einer ziemlich kalten Nacht in meinem Zimmer auf dem Ferienhof, bin ich wie die vergangenen Tage bereits um 5:30 Uhr aufgestanden. Sachen packen – Zähne putzen – Füsse in die immer schwerer werdenden Schuhe verpacken. 6:10 Uhr Abschmarsch! 800 m durch den dunklen Wald. Dort, vor dem Ortseingangsschild von Rente, habe ich mein für 3 EUR am Vorabend zubereitetes Brot mit Jamon Serrano verspeist und den Hunden im Nachbarort beim gemeinsamen Morgenjaulen gelauscht.
Gegen 7:00 Uhr trafen Montse und Regine ein und die 7. Etappe konnte beginnen. Noch war ich mir unsicher, ob ich wie die anderen beiden in Hospital da Cruz (ca. 30 km) übernachte oder weiter bis nach Ligonde (ca. 35 km) laufe – mein eigentliches Etappenziel um Samstagabend Santiago erreichen zu können.
Nach 2 km und rund 20 Fotos holte uns bereits Oscar ein (45 – aus León – arbeitet bei der Guardia Civil und wir kannten ihn bereits von der Herberge in Fonfria).
Da er auch keine Lust hatte den Tag alleine zu verbringen, reduzierte er sein Tempo ein wenig und schloss sich uns an.
Der Weg war wie jeden Tag durch ein ständiges Auf und Ab geprägt – führte aber durch eine traumhafte Natur und fast schon tropisch aussehende Wälder. Nach ca. 10 km kehrten wir in eine kleine Bar, die am Camino lag, ein und tranken unseren ersten Cafe con leche und zumo de naranja.
Nach weiteren ca. 10 km (inzwischen 94 km vor Santiago) erreichten wir Portomarin über eine riesige Brücke. Von hier aus hatte man eine fantastische Aussicht auf den Rio Miño.
Nachdem wir uns mit frischen Geld aus dem Bankautomaten versorgt haben, stärkten wir uns selbst mit einem HAMBURGESA de la Casa 😉
Und leckeren frischen Jakobsmuscheln.
Natürlich nicht ohne unsere Botten auszuziehen, was bei jeder längeren Pause müde und verschwitzte Pilgerfüsse erfrischt.
Gerade, als wir uns frisch gestärkt auf die letzten 10 km machen wollten, holte uns plötzlich Ximo (55 – aus der Nähe von Valencia – Vorruhestand und langweilt sich zu Hause) ein. Auch ihn kannten wir schon von unserem Etappenort Fonfria und dem gemeinsamen Pilgeressen. Er hatte auf dem Weg von Sarria (dort ist er heute Morgen gestartet) Almudena aufgesammelt (31 – verheiratet und arbeitslos – aus der Nähe von Madrid bzw. früher Malaga), die dort ihren Pilgerweg begann.
So zogen wir also laut schwatzend (leise können die Spanier auch gar nicht) zu 6t weiter. Wie jeden Tag, nahmen die Schuhe auf den letzten 10 km stark an Gewicht zu und auch die Steine, die uns jemand während unser Pause im Rucksack versteckt haben muss, wurden immer und immer schwerer…
Der Weg zeigte sich bis Hospital da Cruz auch nicht unbedingt von seiner schönsten Seite, da die letzten 5 km eine Landstrasse links von uns war. Da hat der Architekt des Caminos nicht wirklich gut mitgedacht 😉
Nachdem ich das Gefühl hatte, dass meine Füsse eher über dem Boden schleiften und ich schon den 4 Liter Wasser aufgrund der warem Temperaturen in mich reinschüttete, war meine Entscheidung gefällt: Ich übernachte mit den anderen in Hospital da Cruz – jedes Bett war mir nun recht – und sei es noch eine so furchtbare Herberge – nur keinen Meter mehr laufen und endlich aus den SCHUHEN raus!!!!
Wir trafen in dem Ort, der aus einer staatlichen Herberge, einem Restaurant und einem Lagerplatz von ca. 50 Traktoren bestand, gegen 15 Uhr ein. Neben uns 6 schliefen noch drei weitere Pilgerer in dem mit Doppelstockbetten bestückten Schlafsaal – wir waren also mehr oder weniger unter uns.
Und nun lernte ich meine erste richtige Pilgernacht kennen. Beim „Einchecken“ erhielt ich ein Päckchen mit Einweg Bettlaken und Kopfkissenbezug (erinnert eher an Mullbinden aus dem Krankenhaus). Die Drecksbotten waren, wie man das auch von Hüttenübernachtungen in den Bergen kennt, im Eingangsbereich auszuziehen und in dem dafür vorgesehenen Regal zu deponieren.
Dann ging es ans Matratze beziehen (man musste aufpassen, dass der dünne Tüll beim Spannen nicht gleich reisst) – Schlafsack ausrollen – Duschzeug und frische Wäsche rauskramen usw.
Und ja, auch wir sammelten unsere gemeinsame Schmutzwäsche und teilten uns die Waschmaschine und Trockner. NIE WIEDER HANDWÄSCHE 😉
Nach einer schwimmbadähnlichen Dusche gingen wir gemeinsam die ca. 20 m zum nebenan gelegenen Restaurant und tranken erst einmal eine Cafe und einen „Menta“ (Pfefferminztee)…. und dann ein Licor de Hierba („Orujo ist ein Tresterbrand mit 37 bis 50 Volumenprozent Alkoholgehalt, der hauptsächlich in der nordspanischen Region Galicien hergestellt wird.“).
Bevor wir gegen 18 Uhr/ 19 Uhr ein Menu del Dia bestellten, löste sich unsere Gruppe etwas auf und jeder machte, wozu er gerade Lust hatte (lesen, Beine hochlegen, Wäsche zusammenlegen, Blog schreiben, schlafen, usw.).
Der Abend endete mit viel Gelächter, schmutzigen spanischen Wörtern, ein paar Gläsern des köstlichen Likörs, Wein und …. einem Schnarchkonzert.
Da sich Oscar unsere Namen leider nicht merken konnte, haben wir uns einfache Fantasienamen ausgedacht – so erhielt ich meinen zweiten Vornamen, der mich auf dem restlichen Weg begleiten sollte: Maria. Oscar selbst tauften wir daraufhin Alejandro.
Morgen soll es regnen!