6. Etappe Fonfria – Barbadelo

Ab 5 Uhr lag ich wach im Bett. Da an einschlafen nicht mehr zu denken war, packte ich also in aller Ruhe meine Sachen zusammen und begab mich mit meinem Kram in den Aufenthaltsraum, wo auch meine 2 kg schweren Wanderschuhe standen und andere Pilgerer sich bereits für die anstehende Tour vorbereiteten.

Draussen regnete es! Unfassbar. Alle kramten also ihre Regenhosen raus und stülpten sich ihren Ponchos über. Ich habe auf meine Regenjacke vertraut. Bevor ich mir meine nicht atmungsaktive Plastikplane überstülpe, muss schon ein Starkregen vorausgesagt sein.

Nach einem schnellen Café con leche stapften Fransico, Montse, Regine und ich hinaus in die vernebelte, feuchte Natur.

Zunächst ging es 9 km durch kleinere Dörfer bergab. In Triacastela machten wir eine kleine Cafépause (u.a. auch um uns kurz aufzuwärmen und zu trocknen), bevor es dann weiter den zwar Kürzeren, dafür aber steileren Weg über San Xil nach Sarria gehen sollte (18 m).

Und der Weg war -wenn auch schön- tatsächlich steil. Wir genossen die Umgebung, das sich langsam einstellende trockene warme Wetter und unterhielten uns. Fransico erklärte mir, dass ich ohne Palo (Pilgerstab) eigentlich nicht laufen kann und suchte mir also einen entsprechenden Stock.

Der etwas steile Anstieg und genauso starke Abstieg zerrte an unseren Kräften, zumal der Boden aufgrund des Regens ziemlich rutschig war.

 

 

Sarria näherte sich nur langsam (auch wenn Fransico sich alle 2 km ziemlich sicher war, dass es nur noch 4 km sein müssten). Selbst als die Stadt in Sichtweite war, hatten wir aufgrund des an der Strasse führenden lauten, staubigen Weges das Gefühl, dass sich diese immer ein Stück entfernt, sobald wir uns in ihre Nähe begaben.

Nach 26 km hatten wir es endlich geschafft. Das erste nette Restaurant mit Garten war unseres. Wir warfen die Rucksäcke ins Gras, befreiten unsere heiss gelaufen Füsse von den Fussfesseln und bestellten ein Menu del Dia.

Der erste Gang, Salat, war riesig und ziemlich lecker. Dann kam stundenlang gar nichts und nachdem sich bereits ein erstes Sättigungsgefühl eingestellt hatte, erhielten wir endlich das fast nur aus Fett bestehende Rindfleisch mit Pommes. Wir assen die Kartoffeln, stocherten ein wenig im Fleisch herum und bestellten die Rechnung.

1,5 h Stunden später waren unsere Füsse wieder wohl verpackt und der Rucksack geschnürrt, denn unser Tagesziel hatten wir noch nicht erreicht.

Wir verabschiedeten Fransico, dessen Caminotour in Sarria endete (er läuft den Camino in Etappen) und machten uns auf den Weg ins ca. 5 km entfernte Barbadelo.

Aufgrund der doch recht langen Pause, hatten sich unsere Füsse zumindest soweit erholt, dass die recht abwechslungsreiche Strecke schnell geschafft war.

Ich verabschiedete mich von Regine und Montse für den Tag und marschierte weiter in meine 2 km entfernte Unterkunft auf einem Bauernhof. Ohne WLAN, ohne Shop ohne Restaurant und ohne Heizung!! Mein Schlafsack hat mich vor den kalten Nächten bisher gut gerettet.

Und ich beschloss für den nächsten Tag einmal ohne Reservierung zu starten ;-).

 

5. Etappe Trabadelo – Fonfria

Trotz des leckeren und gesunden Abendessens und dem gemütlichen Zimmer hatte ich eine unruhige Nacht. Und nachdem ich in den frühen Morgenstunden fast stündlich wach wurde, bin ich kurzerhand um 5:30 Uhr aufgestanden. Ich verspeiste einen Joghurt und ein kleines Bocadillo mit Jamon Serrano und machte mich um 6:30 Uhr auf den Weg. Es dämmerte gerade.

Ein paar Meter weiter traf ich auf Montse (46 – Spanierin) und Regine (53 – Französin) – beide in Belgien lebend und kennen sich von der Arbeit. Da sie am Anfang mehrmals nach dem Weg fragen mussten und ich die Strecke auf meinem Handy gespeichert hatte, kamen wir ins Gespräch.

Und da die beiden (fast) das gleiche Tagesziel wie ich und ein ähnliches Schritttempo drauf hatten, gingen wir also gemeinsam.

Unterwegs trafen wir auf das kanadische Paar Marcel und Ken, die 10 min vor uns aus Trabadelo aufbrachen. Sie erkannten mich freudestrahlend wieder und wünschten: „Buen camino, Sandra“.

Immer mehr Pilgerer kamen unterwegs aus den Seitenstrassen und Albuerges dazu.

Bis „La Faba“ waren es 15 km für die man normalerweise 3,5 Stunden braucht. Wir schafften es in 2 Stunden und 50 min!

Nach einer kurzen Pause, in welcher wir uns mit kleinen Snacks und Wasser stärkten, ging es durch einen Wald steil bergauf bis nach „O Cebreiro“ (liegt auf 1.300 – gestartet sind wir bei 572). Oben angekommen, tauchten wir in ein Feld aus Wolken ein.

Der kleine Ort war voll von Pilgerern. Unglaublich wie viele Menschen an dem Tag unterwegs waren.

 

 

Wir liessen uns unsere Pilgerausweise in der Cathedrale abstempeln und machten eine Cafe- und Picknickpause in einer netten kleinen Bar wo ich die lokal typische Empanada con Atún aß und einen leckeren Cafe con leche trank.

Dann starten wir unsere letzten 12 km bis nach Fonfria. Es ging noch einmal etwas bergauf. Die Wolken verzogen sich und wir hatten eine traumhafte Aussicht.

 

Der höchste Punkt war Alto de Poio, den wir so gegen 13:45 Uhr erreichten. Von dort aus marschierten wir noch einmal stramm weitere 3 km und erreichten die Albuerge von Fonfria bereits gegen 14:30 Uhr.

Ich hatte ein Einzelzimmer, die anderen beiden liessen sich im mit Doppelstockbetten bestückten Schlafsaal nieder. Platz war in der Herberge für 80 Pilger, an dem Tag schliefen rund 60 dort.

Da es dort weder einen sogenannten Tienda (Tante Emma Laden) gab noch sonst irgendetwas zum Anschauen, wusch ich meine Sachen und hängte sie zu den anderen in die Sonne.

Anschließend sassen wir zusammen in einer netten Runde in der Sonne, tranken Bier, Cafe und Wein und unterhielten uns in einem Mix aus Spanisch und Englisch (Oscar – 45 aus Astorga, Fransico – 63 aus Barcelona, Ximo – Castellon Nähe Valencia, Montse, Regine und ich).

Die anderen kannten sich bereits von den gemeinsamen Tagen und Nächten in den Herbergen davor. Ich wurde jedoch sofort und herzlich in deren Runde aufgenommen. Ximo lud alle zum Café, Tee und Schnaps ein.

Gegen 19 Uhr trafen sich alle Pilgerer im benachbarten Gebäude zum Abendessen, wo wir zu 60! an einem Tisch sassen und für 9 EUR ein super leckeres Pilgermenü bekamen. Wein inklusive. Als ersten Gang gab es frische Gemüsesuppe mit Spinat. Danach Fleisch mit Gemüse und Kartoffeln und als Dessert Tarta de Santiago. Die war ein echtes Highlight!

Es wurden viele Geschichten und Erlebnisse ausgetauscht, man stellte fest, dass bestimmte Pilgerer besonders auffielen… so z.B. eine Familie mit 8 Monate altem Baby oder eine andere Familie mit 2 Kindern die den ganzen Camino frances laufen und ähnlich grosse Etappen laufen wie alle anderen auch. Ich selbst habe eine etwas korpulente Mutter aus Australien mit ihren beiden Kids getroffen. Man berichtete, dass diese Kinder genauso -mit Pyjama- in den Schlafsäalen der Herbergen übernachten.

Kurzum, es war ein toller Abend in super netter Atmosphäre.

Draussen zieht sich langsam der Himmel zu und ein Wind kommt auf. Es wird wohl morgen Regnen.

Die Herbergsfamilie ist übrigens supper nett und spricht jeden mit Namen an! Wenn man bedenkt, dass sich Personen heute angekommen sind und morgen wieder neue Pilgerer einkehren…. echt beeindruckend!